„Da sind sie wieder, diese Blicke der Kolleginnen in der Kantine...“, „Wie hat der Chef das nun gemeint, war da ein Anflug von Sarkasmus oder ist er mit meiner Arbeit wirklich zufrieden?“, „Schon wieder keinen Urlaub bekommen...“ – Sie kennen bestimmt diese Situationen samt folgendem Gedankenkarussell, vielleicht aus persönlicher Erfahrung oder aus Erzählungen von KollegInnen, Freunden usw. Der gemeinsame Nenner ist die Unsicherheit, der man in vielen Lebenssituationen, insbesondere eben auch in der Arbeitswelt, ausgesetzt ist. Und Unsicherheit hat immer auch mit dem eigenen Selbstwert zu tun.
Selbstwert – ein Begriff der gerne mal verwendet wird, aber eigentlich schwer abzugrenzen ist, besonders mit verwandten Wörtern wie Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Die dazugehörigen Bilder im Kopf kommen schnell einmal durcheinander. Sieht man sich das Wort „Selbstbewusstsein“ aber genauer an, findet man auch die Definition darin: sich seiner Selbst bewusst sein. Was nichts anderes bedeutet als: Man weiß, wer man ist, was man denkt, wie man fühlt und handelt – und warum man so ist, so denkt, so fühlt und so handelt. Selbstvertrauen hingegen ist, wenn man seinen eigenen Fähigkeiten vertraut. Da gibt es eine Wechselwirkung: je mehr Vertrauen, umso bewusster – und umgekehrt. Der Selbstwert resultiert dann daraus, ist eine verinnerlichte Haltung, ein Wertesystem, das an und auf sich selbst ausgerichtet ist. „Ich weiß was ich wert bin“ lautet dabei die Kernaussage.
Doch viele wissen das leider nicht. Chronische Verunsicherung, das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, Opferhaltungen bis hin zu depressiven Verstimmungen oder sogar Depressionen sind die Folge. Mit den zu erwartenden Konsequenzen: verminderte Konzentration, geringere Leistungsbereitschaft, weniger Erfolgserlebnisse, dementsprechendes Feedback von Vorgesetzten und KollegInnen, was wiederum dazu führt, sich selbst in Frage zu stellen – ein Teufelskreis. Wie kommt man da wieder raus? Oder besser: gar nicht erst hinein?
Malen Sie ein Bild von einem wunderbaren Menschen – sich selbst
Wer sich selbst gut kennt, dem kann keiner so leicht was vormachen. Gerade diese Unerschütterlichkeit macht uns widerstandsfähig, oder um es in einem modernen Terminus zu sagen: resilient. Ein wichtiger Baustein dafür ist neben dem Selbstwert das Selbstbild. Ein Bild, also auch ein tatsächliches, entsteht ja nicht von heute auf morgen. Es ist das Ergebnis eines fortwährenden Prozesses, einer Entwicklung und viele große Meister haben über ihre Werke gesagt: Ich arbeite immer daran, es ist nie vollendet. Ein Work in Progress also, genau wie bei unserem eigenen Bild. Da kommt eine Nuance dazu, dort wird eine spannende Schattierung gesetzt, etwas anderes wird übermalt oder wegradiert. Fertig ist das Selbstbild nie, ebenso wenig wie das persönliche Wachstum, mit dem es im engen Zusammenhang steht.
Seit Urzeit denken Menschen unterschiedlich, sie handeln unterschiedlich und sie machen unterschiedliche Erfahrungen. Sie alle haben ein Bild von sich. Nur wer bestimmt dieses Bild? Wie sehen Sie sich denn selbst? Eines der entscheidenden Dinge, die man über das Selbstbild wissen sollte, ist, von wem es geformt und bestimmt wird. Es gibt Menschen, die haben eine gute Verbindung zu sich selbst und daher eine realistische Selbsteinschätzung. Bekommen solche Menschen beispielsweise von jemanden zu hören, dass sie faul und unmotiviert sind, überprüft derjenige mit der realistischen Selbsteinschätzung und dem gesunden Selbstbewusstsein diese Aussage, ob das der eigenen Wahrheit entspricht und lässt sich dadurch von außen nicht in seinen Gedanken, Gefühlen und Handlungen beeinflussen.
Andere Menschen wiederum orientieren sich ständig an den Meinungen und Gedanken anderer. Sie halten an dem Bild fest, das andere über sie haben. Dabei sind das ja nur die Wahrnehmung und die Gedanken des anderen. Viele empfinden das Bild, das der andere auf einen selbst projiziert, aber als wahr und am Ende entsteht ein verschobenes Selbstbild.
Eigene Gedanken und Gefühle beobachten
Beobachten Sie doch einmal Ihre eigenen Gedanken und Gefühle – mit Distanz, am besten möglichst wertfrei. Halten Sie dabei bewusst Ihre Emotionen zurück und kippen Sie nicht in altvertraute Muster. Klingt herausfordernd, aber glauben Sie mir: das funktioniert mit ein bisschen Übung. Nur so werden einem die Gedanken, die man über die Welt und sich selbst hat, bewusst. Bewusstheit ist der erste Schritt, Gewohnheiten und Muster zu erkennen, um sie dann ändern zu können.
Dazu sehen Sie sich auch die inneren Dialoge an, die Sie mit sich selbst so gerne führen. Wie gehen Sie mit sich selbst um? Ist das liebevoll und wertschätzend oder sind das eher Sätze wie: „Du Idiot, hast das schon wieder nicht hinbekommen“, „Du bist einfach zu schüchtern dafür“ oder „zu blöd“, „zu wenig talentiert“, etc. Beginnt man, mit sich selbst positiver zu sprechen, beginnt man sich auch mehr zuzutrauen. Traut man sich mehr zu, werden einem andere Menschen auch mehr zutrauen. Das stärkt dann wiederum das eigene Selbstvertrauen und fließt nachhaltig in die Bildung des Selbstwerts ein. Eine gute Gelegenheit, um den Teufelskreis zu durchbrechen und die Spirale ins Positive umzukehren.
Abgesehen vom Beobachten der eigenen Gedanken und Gefühle: hinterfragen Sie! Ihre eigenen Glaubenssätze ebenso wie die der anderen – die ganz besonders. Sie werden staunen, wie wenig Selbstverständlich so manches ist, das Sie immer als Gegeben hingenommen haben. „Wer sagt eigentlich, dass...“, „Warum muss ich eigentlich...“ sind ein guter Anfang, um neue Perspektiven zu bekommen. Festgefahrene Glaubenssätze sperren uns ein, machen uns zu Instrumenten derer, die diese Glaubenssätze zu ihrem Vorteil nutzen. Das Erkennen neuer Perspektiven sprengt diese Ketten und stärkt so das Gefühl, aus eigener Kraft und aus eigenem Will zu handeln. Und das, Sie werden es erraten, stärkt wieder Ihren Selbstwert.
Noch ein paar kleine Denkanstöße...
Wie wärs mit einer Liste von den Dingen, die Sie bisher schon geschafft haben? Dinge die Sie Überwindung oder Mut gekostet haben oder wo Sie sich nicht sicher waren, ob es klappen wird. So stärkt man seine Selbstwirksamkeit und macht sich bewusst, was man alles geschafft hat und damit auch noch schaffen kann.
Kleine Ziele sind besser als zu große. Wenn man zunächst kleine Vorhaben in Angriff nimmt und schafft, verzeichnet man Erfolgserlebnisse und kann sich langsam steigern. Und mit der Zeit schafft man auch die großen Vorhaben. Das führt dann zu mehr Selbstvertrauen und letztlich zu einem höheren Selbstwert.
Selten ist es gut, etwas nur deshalb zu machen, um jemanden zu gefallen oder den Vorstellungen seines Umfelds gerecht zu werden oder weil es die Gesellschaft verlangt. Bei sich bleiben lautet die Devise. Das klappt dann vor allem gut, wenn man sein Selbstbewusstsein trainiert und einem die Gründe, warum wir etwas tun, bewusst werden.
Und zu guter Letzt: Ändern Sie die inneren Dialoge mit sich selbst und praktizieren Sie Selbstliebe. Behandeln Sie sich selbst wie einen guten Freund und hören Sie auf mit Verurteilungen und Bestrafungen gegen sich selbst. Sie sind es wert!
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